Fett und Abnehmen – das waren in früheren Zeiten zwei Worte die absolut nicht vereinbar schienen. Heute ist das anders. Von immer mehr Low.Carb EnthusiastInnen werden nun Kohlenhydrate als Dickmacher gesehen.
So erscheint es vielen, die etwas an ihrer Ernährung verbessern wollen sinnvoll, bei der Gestaltung Ihrer täglichen Mahlzeiten verstärkt auf Fett und Protein zu setzen. Wissenschaftliche Hintergründe interessieren dabei die wenigsten.
Trends, Stardiäten und die Meinungen von Social Media Größen sowie selbsternannte „ExpertInnen“ die mit ihrer eigenen "Heilungsgeschichte" oder auch nur mit Beziehungen zu Berühmtheiten punkten, reichen vielen als Grund für die Neuverteilung jeglicher Lebensmittel in die Kategorien „Gut“ und „Böse“.
- Kokosöl ist ein gutes Beispiel, um zu betrachten wie viel stärker populäre Medienberichte die Ernährungsgewohnheiten vieler Menschen beeinflussen als es wissenschaftlich basierte Empfehlungen von Fachgesellschaften tun. Kokosöl wird in zahlreichen Beiträgen nachgesagt, dass es bei regelmäßigem Verzehr den Stoffwechsel anregt und dadurch Gewichtsverlust begünstigt, Zivilisationskrankheiten vorgebeugt, Krankheitserreger bekämpft, die Heilung diverser Krankheiten begünstigt und noch endlos viele Vorteile für Gesundheit und Schönheit birgt.
Schon seit Jahrhunderten steht die Kokosnuss in tropischen Ländern täglich am Speiseplan 1. Hier wird oft bereits die erste Schlussfolgerung gezogen: Tropisches Kokosöl, darin wird der Grund für die Ausstrahlung und Gesundheit süd-ost-asiatischer InselbewohnerInnen liegen. Außerdem kann man Kokosöl hoch erhitzen, denn als festes Fett soll es angeblich besonders hitzestabil sein.
- Um diese Behauptungen zu bestätigen braucht es nur eine kurze, oberflächliche Suche im Internet und es finden sich genügend Ressourcen die das weiße, feste Fett so hoch preisen dass es nicht lange braucht, bis jemand ohne Grundkenntnisse in Lebensmittelkunde oder Pathologie losgeht um ein Glas im nächsten Reformhaus zu ergattern.
Ganz hoch wird dem Kokosöl angerechnet dass es absolut natürlich ist. Das stimmt nur bedingt, naturbelassen ist nur das native Kokosöl. Raffiniertes Kokosöl wird nach der Pressung noch chemisch sowie physikalisch behandelt um Aussehen, lange Haltbarkeit, hohe Erhitzbarkeit und einen neutralen Geschmack zu gewährleisten.2
- Dass es eine breite Palette an hochwertigen, naturbelassenen, heimischen Pflanzenölen gibt, wird von Kokosöl-Fans genauso wenig beachtet wie der ökologische Fußabdruck von diversen Superfoods, die aus fernen Ländern importiert werden.
Natives Kokosöl hat einen starken Eigengeschmack und sollte nur kurz und nicht über 200°C erhitzt werden, da es sonst stark schäumt, zu rauchen beginnt und bitter schmeckt 3, 8. Wer frittieren will, sollte dazu besser kein natives sondern desodoriertes oder raffiniertes Kokosöl (auch unter dem weit weniger attraktiven Namen "Plattenfett" bekannt) verwenden, denn wie in jedem naturbelassenen Öl sind auch im nativen Kokosöl noch Restbestandteile der Pflanze sowie freie Fettsäuren vorhanden und es entstehen beim Erhitzen schädliche Abbauprodukte wie z.B. polyzyklische Kohlenwasserstoffe. Je höher & öfter erhitzt wird, umso mehr verändert sich die Struktur eines Öls.
Ein „hoher Gehalt an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen“ soll laut einiger Internetportale ebenfalls ein Grund sein, Kokosöl in den kulinarischen Alltag einzubinden. Auch diese Behauptung hält einer genauen Betrachtung nicht stand, denn der Gehalt an diesen Stoffen ist vor Allem im Vergleich zur Energiedichte in vielen anderen Lebensmitteln weit höher.1
- Rein logisch gesehen ist es keine gute Idee, Fettlieferanten eine Bedeutung als Vitaminquelle zukommen zu lassen. Bevor nennenswerte Mengen an Vitaminen durch den Konsum von Kokosöl erreicht werden, fällt bei Weitem mehr an gesättigtem Fett und Energie an, als im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung empfehlenswert wäre. Zur Erinnerung: Höchstens 30% der täglichen Energiezufuhr sollten aus Fett kommen, jeweils zu ca. einem Drittel aus gesättigten, mehrfach & einfach ungesättigten Fettsäuren .6
Ein Hype rund um Kokosöl fußt auf der chemischen Struktur des Kokosfettes. Der Hype rund um Kokosöl richtete den Scheinwerfer auf Unklarheiten rund um gesättigte Fettsäuren. Dass nicht alle gesättigten Fette pauschal als „schlecht für den Körper“ abgestempelt werden können mag sein, doch für Empfehlungen zum Konsum in größeren Mengen gibt es keine Evidenz.4
Besonderes Interesse richtete sich auf kurzkettige sowie mittelkettige gesättigte Fettsäuren (MCT-Fette, medium chain triglicerides). Diese werden nämlich vom Körper anders verwertet als in Pflanzenölen viel häufigere, längerkettige Fettsäuren mit mehr als 10 Kohlenstoffatomen.1
- Aufgrund der kürzeren Kettenlänge haben MCT-Fette eine höhere Wasserlöslichkeit, sie können daher aus dem Darmlumen unabhängig von Gallensäuren direkt in die Darmzellen gelangen. MCT-Fette werden nicht wie anderes Fett übers Lymphsystem, sondern im Blut zur Leber transportiert, daher werden bei Problemen mit Lymphstau die üblichen Nahrungsfette mit MCT-Fett ausgetauscht, um die Lymphwege zu entlasten.
Mittelkettige Fettsäuren weisen zudem mit 8,3 Kalorien einen etwas geringeren Brennwert auf als die meisten anderen Fettsäuren mit 9,2 kcal pro Gramm Fett. 5, 9
Über die Effekte des Konsums von reinem MCT-Fett auf die Gesundheit gibt es diverse Studienergebnisse. Häufig vermindert sich der Appetit, es wird auch von initialem Gewichtsverlust berichtet, über längere Zeit zeigen sich jedoch keine definitiven Vorteile eines Austauschs der üblichen Fettlieferanten durch MCT-Fett bei der Gewichtsregulierung.5 Nicht zu vernachlässigen sind auf der anderen Seite die zu erwartenden Verdauungsprobleme, die bei der abrupten Umstellung auf reines MCT-Fett laut Hersteller zu erwarten sind.7 Dass eine Appetitminderung auf Verdauungsprobleme folgt, klingt plausibel oder?
Hier ist zu beachten dass viele der Studien an Tieren durchgeführt wurden und somit keinen direkten Schluss auf die Vorgänge im Menschen zulassen. Leider werden von Herstellern, Bloggern und Gurus immer wieder unreflektiert erstaunliche Ergebnisse aus Studien mit isolierten MCT-Fetten als Effekte von Kokosöl ausgelegt. (So auch auf der Website eines bekannten Plattenfettes.7)
- Ein genauer Blick auf das Fettsäuren Muster des Kokosöls führt zur Enttäuschung. MCT-Fett macht hier weniger als 11% aus, der Großteil ist Laurinsäure (C12) – eine langkettige Fettsäure.
Fettsäure (Kohlenstoffatome:Doppelbindungen) |
Anteil am Gesamtfett in % von Kokosfett |
|
gesättigt |
Capron (C6) |
0-0,7 |
Capryl (C8) |
4,6-10 |
|
Caprin (C10) |
5-8 |
|
Laurin (C12) |
45,1-53,2 |
|
Myristin (C14) |
16,8-21 |
|
Palmitin (C16) |
7,5-10,2 |
|
Stearin (C18) |
2-4 |
|
ungesättigt |
|
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Ölsäure (18:1) |
5-10 |
|
Linol (18:2) – Omega-6 |
1-2,5 |
|
Alpha-Linolen (18:3) – Omega-3 |
<0,05% |
|
<0,05% |
||
|
|
|
(Fiebig, 2011 http://www.dgfett.de/material/fszus.php) |
Weil Kokosöl wie viele weitere, als "Superfood" gehypte Produkte ohnehin nicht zu den regionalen Lebensmitteln gehört und noch dazu keine wissenschaftlich erwiesenen, besonders gesundheitsförderlichen Wirkungen erzielt, gibt es an dieser Stelle keine Empfehlung zur Verwendung dieses Fettes von deiner Diätologin.
Deine Gesundheit hängt außerdem von mehr Aspekten als nur von der Wahl der Fettquellen bzw. von der Ernährung allein ab, da gibt es kein Wundermittel!
Kokosöl ist einerseits absolut KEIN MUSS im Vorratsschrank, es kann andererseits die kulinarischen Möglichkeiten, vor allem in der veganen und asiatischen Küche als festes Fett erweitern. Die verzehrte Menge pro Kopf sollte sich, wie bei anderen Festen Fetten (z.B. Butter, Schmalz, Palmfett, Sheabutter, Kakaobutter) auf um die 2 Teelöfferl am Tag bewegen.
Noch mehr Infos rund um die Kokosnuss und ihr Fett findest du in unserem Artikel bei Emilie.
1 Lockyer & Stanner. British Nutrition Foundation: Nutrition Bulletin, Coconut oil – a nutty idea? https://doi.org/10.1111/nbu.12188 (2016)
2 Čmolík & Pokorný. Physical refining of edible oils. European Journal of Lipid Science and Technology, 102 (7), 472–486. (2000)
3 Verein für Konsumenteninformation, Kokosfett oder Kokosöl https://www.konsument.at/essen-trinken/kokosfett-oder-kokosoel (2016)
4 American Heart Association, Advisory: Replacing saturated fat with healthier fat could lower cardiovascular risks. Circulation DOI: 10.1161/ CIR.0000000000000510 (2017)
5 Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Mittelkettige Triglyceride für die Adipositastherapie nicht empfehlenswert. DGE info 18-21 (2011)
6 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE), Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr (2017)
7 Ceres, Verzehrsempfehlungen MCT Fett, http://www.ceres-mct.com/de/produkte/verzehrempfehlungen/ abgerufen am 9.4.2018
8 Srivastava, Singh, George, Bhui, Saxena & Shukla. Genotoxic and carcinogenic risks associated with the dietary consumption of repeatedly heated coconut oil. British Journal of Nutrition (2010)
9 Eyres, Eyres, Chrisholm & Brown. Coconut oil consumption and cardiovascular risk factors in humans. Nutrition Reviews (2016)
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